Kostenerstattung
Außervertragliche psychotherapeutische Behandlung für gesetzlich Versicherte im Rahmen der Kostenerstattung
Wenn Sie sich als gesetzlich Versicherte(r) in einer psychotherapeutischen Privatpraxis behandeln lassen möchten und für Sie eine Behandlung als Selbstzahler nicht infrage kommt, lesen Sie auf dieser Seite bitte einige wichtige Informationen zum Thema Kostenerstattung.
Wichtig für Sie vorab zur Begriffsklärung: Kostenerstattung bedeutet bei der gesetzliche Krankenkasse nicht, dass Sie sich zunächst in eine Behandlung begeben und sich dann anschließend die entstandenen Kosten erstatten lassen können. Vielmehr ist zunächst ein Antrag auf Kostenübernahme im Erstattungsverfahren und eine entsprechende Bewilligung Ihrer Krankenkasse erforderlich, bevor Sie mit Ihrer Psychotherapie beginnen können.
Mangelnde Verfügbarkeit von Behandlungsplätzen bei Kassentherapeuten
Eine wichtige Vorausssetzung der Kostenübernahme durch Ihre gesetzliche Krankenversicherung für ambulante Psychotherapie in einer Privatpraxis ist die Unterversorgung, d.h. die mangelnde Verfügbarkeit von Behandlungsplätzen bei Vertragstherapeuten bzw. Kassentherapeuten.
Vermutlich haben Sie bereits verschiedene Psychotherapeuten mit Zulassung durch die Kassenärztliche Vereinigung (hier kurz „Vertragstherapeuten“ oder „Kassentherapeuten”) in der Nähe ihres Wohnortes angerufen und nach einem freien Behandlungsplatz gefragt.
Sicher haben Sie dabei schon mehrfach gehört, es sei kein Behandlungsplatz mehr frei und Sie sollten es in einigen Monaten wieder versuchen.
Wartezeiten von über drei Monaten gelten grundsätzlich als nicht zumutbar.
Insbesondere wer akut und schwer krank ist, kann und sollte aus fachlicher Sicht nicht länger als drei Monate auf eine Behandlung bei einem „Kassentherapeuten” warten müssen.
Behandlungsmöglichkeit in einer Privatpraxis für Psychotherapie
Sie dürfen sich deshalb – wenn eine besondere Dringlichkeit für den Beginn einer ambulanten Psychotherapie vorliegt – auch außervertraglich, d.h. in einer Privatpraxis behandeln lassen. Die Behandlung in einer Privatpraxis setzt aber voraus, dass in dieser Praxis mindestens eins der sogenannten „Richtlinienverfahren“ ausgeübt wird. Richtlinienverfahren sind: analytische Psychotherapie (Psychoanalyse), tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und Verhaltenstherapie. Die Kosten hierfür werden Ihnen von Ihrer Krankenkasse erstattet (deshalb “Erstattungsverfahren”). Dies bedeutet aber nur im Ausnahmefall, dass Sie finanziell in Vorleistung gehen müssten. Die meisten gesetzlichen Krankenkassen akzeptieren eine Abtretungserklärung ihrer Versicherten, sodass ich Rechnungen direkt bei Ihrer gesetzlichen Krankenkasse einreichen kann, ohne dass Sie mit einer Vorauszahlung, Zuzahlung oder anderem bürokratischem Aufwand belastet werden.
Voraussetzungen für die Kostenerstattung und Einschränkungen
Die wesentlichen Voraussetzung für die Kostenerstattung sind, dass für Sie trotz des Vorliegens einer akuten psychischen Störung eine Behandlung nicht innerhalb der nächsten drei Monate bei einem Kassentherapeuten Ihres Vertrauens möglich ist.
Aber es gibt auch Einschränkungen. Denn nicht alle gesetzlichen Krankenkassen halten sich an diese Regeln. Krankenkassen, die eine Kostenerstattung im Allgemeinen – unter Missachtung gesetzlicher Vorgaben und höchstrichterlicher Urteile – ihren Versicherten verweigern, sind z.B. AOK, DAK und Barmer. Hiervon sind besonders auch Versicherte der ehemaligen Deutschen BKK betroffen, für die seit der Fusion der Deutschen BKK mit der Barmer das Kosenerstattungsverfahren ebenfalls abgeschafft wurde. Sollten Sie bei einer dieser Krankenkassen versichert sein, käme ein Wechsel der Krankenkasse für Sie infrage.
Die Begutachtung eines Antrags auf außervertragliche Psychotherapie
Die gesetzlichen Krankenkassen sind weder grundsätzlich dazu verpflichtet, für außervertragliche Leistungen ein Gutachterverfahren durchführen zu lassen, noch sind sie dazu verpflichtet, bestimmte Gutachter für ein freigewähltes Gutachterverfahren zu verwenden. Die meisten Kassen entscheiden sich jedoch für den MDK (Medizinischer Dienst der Krankenkassen). Dies ist jedoch nicht bei allen Kassen der Fall. Darüberhinaus können die Krankenkassen auch im freien Ermessen Leistungen bewilligen, selbst wenn der MDK oder ein anderer Gutachter keine Empfehlung für eine Kostenübernahme der beantragten ambulanten Psychotherapie ausgesprochen hat.
Falls Ihre Krankenkasse den MDK (Medizinischer Dienst der Krankenkassen) mit einer Begutachtung beauftragt, ist folgendes wichtig: Beim MDK gibt es für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit von Kostenerstattungspsychotherapie besondere Begutachtungsregeln. Kritische Punkte im Gutachterverfahren von außervertraglichen Leistungen sind zum einen die Dringlichkeit einer akuten Behandlung und zum anderen die Unterversorgung, d.h. die Feststellung, dass kein Kassentherapeut in absehbarer Zeit zur Verfügung steht.
Was geprüpft wird: 1. Die Dringlichkeit der Behandlung bei einer akuten Erkrankung
Für außervertragliche psychotherapeutische Leistungen gelten strengere Maßstäbe als in der Vertragspsychotherapie. Ein wesentlicher Unterschied besteht im Kriterium der "Dringlichkeit". Maßgeblich für die Bewilligung einer außervertraglichen psychotherapeutischen Leistung ist, dass eine besondere Dringlichkeit in dem Sinne vorliegt, dass ein Patient nicht mehrere Monate auf einen Behandlungsplatz bei einem Kassentherapeuten warten kann. Eine Wartezeit bei einem Kassentherapeuten ist unzumutbar
- wenn eine besonders belastende Symptomatik erst seit kurzer Zeit vorliegt, der Patient also "akut" und "schwer" erkrankt ist. Dies kann auch eine deutliche Verschlimmerung von schon länger bestehenden Beschwerden aufgrund einer kürzlich eingetretenen belastenden Lebenssituation sein.
- wenn eine Kassenpsychotherapie im Rahmen einer vertraglichen Leistung erst nach mehr als drei Monaten begonnen werden könnte.
- wenn eine nach den neuen Psychotherapierichtlinien eingeführte „Akutbehandlung“ nicht möglich ist oder nicht ausreicht, um eine mehrmonatige Wartezeit zu überbrücken.
- wenn die Beschwerden sich bei längerer Wartezeit verschlimmern und die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen würden.
- wenn ein Behandlerwechsel z.B. im Falle einer Umwandlung von Kurzzeittherapie in Langzeittherapie kontraindiziert wäre und zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen würde.
Was gegen eine Dringlichkeit und für die Zumutbarkeit einer Wartezeit spricht
Bestehen die Beschwerden – ohne Verschlimmerung in der letzten Zeit – schon länger als sechs Monate, wird die Erkrankung im Begutachtungsverfahren in der Regel nicht mehr als „akut“ angesehen. Es wird aus der Tatsache, dass ein Patient längere Zeit gewartet hatte bis er einen Psychotherapeuten aufsuchte, geschlossen, dass dieser Patient auch noch sehr viel länger auf einen Behandlungsplatz warten kann.
Wenn bereits eine Chronifizierung der Erkrankung gegeben ist und der Patient sich wegen einer bekannten psychischen Erkrankung bereits mehrere Male in einer vollstationären psychiatrischen Behandlung befunden hatte. Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen also lieber für wiederholte vollstationäre Behandlungen als für eine preiswertere ambulante Psychotherapie. In den Fällen von vorausgehender vollstationärer psychiatrischer Behandlung sollte überprüft werden, ob eine Finanzierung einer ambulanten Psychotherapie nach BSHG möglich ist.
Die Dringlichkeit ist in der Regel ebenfalls nicht gegeben
- wenn sich der Patient bereits in ambulanter psychiatrischer Behandlung befindet, von einer Beratungsstelle betreut wird oder Mitglied einer Selbsthilfegruppe ist.
- wenn eine frühere Psychotherapie erst vor kurzer Zeit mit Erfolg zumindest im Sinne einer vorübergehenden Stabilisierung beendet wurde, erscheint die Dringlichkeit für eine erneute Behandlung fragwürdig und ist im Zweifelsfall in der Regel eher nicht gegeben.
- wenn ein Patient die Wartezeit bis zum Beginn einer Psychotherapie bei einem Kassentherapeuten auch durch Behandlung in einer psychiatrischen Tagesklinik überbrücken könnte.
- wenn der Patient schon eine Akutbehandlung in Anspruch genommen hatte, besteht aus Sicht des begutachtenden MDKs keine Dringlichkeit mehr. D.h., Patienten werden nach einer Akutbehandlung möglicherweise jahrelang auf einen freien Platz bei einem Kassentherapeuten warten bis sie eine reguläre Psychotherapie bekommen.
Was geprüft wird: 2. Der Nachweis der Unterversorgung, d.h. dass für Sie kein Kassenpsychotherapeut zur Verfügung steht
Den Nachweis der Unterversorung konnten Patienten bisher damit erbringen, dass sie zehn erfolglose Versuche dokumentierten, einen Kassentherapeuten zu finden, der Ihnen einen Behandlungsplatz innerhalb der nächsten drei Monate anbieten konnte. Im Rahmen der am 1.4.2017 in Kraft getretenen Psychotherapierichtlinien wird der Nachweis einer Unterversorgung zusätzlich dadurch belegbar, dass Ihnen die Terminservice-Stelle (TSS) der Kassenärztlichen Vereinigung keinen Kassentherapeuten passend für Ihre Indikation vermitteln konnte und Sie dies entsprechend nachweisen können.
Problematische Aspekte im Begutachtungsverfahren durch den MDK
Als problematisch bei der Begutachtung von Psychotherapieanträgen durch den MDK muss angesehen werden, dass es keinerlei Anonymisierung der Patientendaten gibt. Ganz im Gegenteil werden Name, Geburtsdatum, Adresse etc. der Patienten dem MDK von den gesetzlichen Krankenkassen vollumfänglich mitgeteilt. Bei den Gutachtern des MDK handelt es sich zum großen Teil um niedergelassene Psychiater aus dem Berliner Raum, sodass es vorkommen kann, dass eine Psychiaterin aus der Nachbarschaft eines Patienten dessen Psychotherapieantrag begutachtet. Demzufolge kommt der MDK in der Begutachtung von Psychotherapieanträgen auch nicht von ungefähr sehr häufig zum Ergebnis, dass eine Psychotherapie nicht indiziert sei und der Patient sich besser in psychiatrische Behandlung begeben solle. Diese Empfehlung zum eigenen Vorteil findet dann leider auch noch in laufenden Behandlungen statt, sodass ein Patient nicht die Gewissheit haben kann, dass er eine angefangene Psychotherapie auch wird regulär beenden können. Grundsätzlich kann auch festgestellt werden, dass die Entscheidungen in den Gutachten oft willkürlich und fachlich meist nicht nachvollziehbar sind. Problematisch ist auch, dass die begutachtenden Psychiater in der Regel nicht über fachspezifische psychotherapeutische Weiterbildungen verfügen und meist nur den Zusatztitel „Psychotherapie“ erworben haben, was z.B. eine Beurteilung eines Antrags auf analytischen Psychotherapie m.E. ausschließt. Verschleiert werden diese Zusammenhänge in der Regel dann auch noch dadurch, dass die Namen der Gutachter häufig nur geschwärzt Behandlern und Patienten zu Verfügung gestellt werden. Auch im Widerspruchsverfahren gibt es keine Möglichkeit, ein Obergutachten zu beantragen. Vielmehr wiederholt meist dieselbe Gutachterin immer wieder nur lakonisch ihre ablehnende Einschätzung. Fazit: Weil grundlegende Qualitätsstandards, fachliche Kompetenz, Ausschluss von Interessenkonflikten und Datenschutz nicht ausreichend gewährleistet sind, ist eine Begutachtung durch den MDK nicht empfehlenswert.
Solange die Mängel in der Begutachtungspraxis des MDK nicht behoben worden sind, sollten Versicherte bei Ihrer gesetzlichen Krankenkasse beantragen, dass die Begutachtung ihres Psychotherapieantrags von einem regulären und fachlich qualifizierten Gutachter aus dem Bereich der Kassenpsychotherapie durchgeführt wird und auf eine Sonderbehandlung im Rahmen einer MDK -Begutachtung verzichten.
Schreiben Sie zunächst Ihre Krankenkasse formlos an und fragen Sie danach, welche Unterlagen Sie für die Beantragung einer außervertraglichen Psychotherapie einreichen sollen. Sie werden dann vermutlich zur Antwort bekommen, dass Sie in die "Psychotherapeutische Sprechstunde" eines Kassentherapeuen gehen, sich anschließend an die Terminservicerstelle der KV wenden und dass Sie sich wieder melden sollen, wenn auf diesem Wege die Vermittlung eines Psychotherapieplatzes nicht gelingen konnte.
Falls Ihre Krankenkasse Ihnen mitteilt, sie sollen Ihre bisherigen erfolglosen Versuche, einen Therapieplatz zu finden nachweisen: Notieren Sie den Namen, das Datum und die Uhrzeit Ihrer bisherigen vergeblichen telefonischen Anfragen bei mindestens zehn Kassentherapeuten. Hat ein Kassenthearapeut keine Anrufzeiten und ist er/sie nur per Anrufbeantworter erreichbar und ruft nicht zurück, können Sie dies ebenfalls als Hinweis darauf verstehen, dass in dieser Praxis kein Behandlungsplatz innerhalb der nächsten drei Monate frei wird.
Falls Ihre Krankenkasse Ihnen mitteilt, dass Sie eine „Psychotherapeutische Sprechstunde“ eines Kassentherapeuten aufsuchen sollen: Seit 1. April 2017 können Sie sich als gesetzlich Versicherte(r), die/der einen Behandlungsplatz für eine ambulante Psychotherapie sucht, zunächst in die "Psychotherapeutische Sprechstunde" eines Kassenpsychotherapeuten oder eines Kassenarztes mit Zusatztitel Psychotherapie begeben, um sich von diesem im Rahmen einer Vorabklärung eine Indikation zur ambulanten Psychotherapie geben zu lassen. Ab 1.4.2018 wird dies obligatorisch. Der Begriff der „Psychotherapeutischen Sprechstunde“ wurde neu für diese Vorabklärung und Indikationsstellung gebildet und ist nicht zu verwechseln mit einem Vorgespräch (probatorische Sitzung) zur Einleitung einer Behandlung.